Lohn für freien Tanz

Das Tanztheater ms-tanzwerk ist mit dem Stuttgarter Theaterpreis 2006 ausgezeichnet worden. Die Jury fand das Stück "Mental Maps & Patterns" (wir berichteten) nach dem sechstägigen Wettbewerb der freien Tanzszene Baden-Württemberg am überzeugendsten. Das Stück sei zwar umstritten, aber auch die "gedanklich kühnste und ästhetisch geschlossenste Arbeit" gewesen, die auf unsentimentale Weise zutiefst betroffen mache, teilte die Jury mit. Gerade dafür aber stehen Mario Heinemann und Sophie Jaillet, die seit sechs Jahren als ms-tanzwerk frei in der Region als Choreografen arbeiten: Tanztheater zum Nachdenken, nicht immer leicht verständlich und von durchaus sperriger Ästhetik. Mario Heinemann und Sophie Jaillet verweigern sich der Gefälligkeit, trauen sich etwas und gehen ihren eigenen Weg. Diese innovativen Elemente der auch überregional und international gastierenden Compagnie waren der Jury 6000 Euro wert.

Quelle: MorgenWeb

MS-Tanzwerk nun endlich auch in Deutschland gebührend gewürdigt

Längst überfällig war die Würdigung der Compagnie und deren eindrucksvolle Produktionen allemal. Mit "Mental Maps & Patterns" hat es nun geklappt und endlich wird die bereits in den USA ausgezeichnete Compagnie auch in Deutschland gebührend gefeiert.Es gibt also Hoffnung dass sich Qualität auch im Zeitgenössischen Tanz in Deutschland wieder durchsetzt. "... Tanz beinhaltet mehr als nur über sich selbst zu reflektieren...", so der knappe Kommentar des Choreografen. Heinemann Jaillet beweisst dies mit der Auswahl seiner Themen und der daraus entstehenden einzigartigen Bewegungsprache. Mit der neuen Produktion "MENTAL MAPS & PATTERNS" ist Ihm gelungen wo die meisten seiner Choreografenkollegen scheitern: Tanztheater zu schaffen, dass zutieftst betroffen macht. Zu diesem Schluss kam auch die Jury bei der Preisverleihung in Stuttgart und beschrieb den eigenwilligen und mutigen Weg des Choreografen zu "MENTAL MAPS & PATTERNS" mit einem Zitat von C.G.Jung: "das Bewusstsein benimmt sich wie ein Mensch, der ein verdächtiges Geräusch im Keller gehört hat und zum Dachboden eilt, um dort festzustellen, daß keine Diebe da sind. In Wirklichkeit hat sich dieser vorsichtige Mensch aber nicht in den Keller getraut. "MS-Tanzwerk hat sich in den Keller getraut und verdient allein schon dafür Anerkennung", so der Laudator des Festivals. Es hat uns aber auch etwas aus dem Keller mit hochgebracht - und das erfordert Geschick und Können."Bleibt zu hoffen dass nun auch die Veranstalter den Mut aufbringen, solche mittlerweile selten gewordene "Kostbarkeiten" in Ihre Programme aufzunehmen.
Jan Kirsch, Berlin, 2007

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kühnes Tanztheater über das Erinnern und über Gedankenmuster: MS-Tanzwerk mit "Mental Maps & Patterns".

MS-TANZWERK tanzt zum Sieg.
Das Tanztheater MS-Tanzwerk ist mit dem Stuttgarter Theaterpreis 2006 ausgezeichnet worden. Der Preis für die beste Produktion wurde von Dr. Susanne Eisenmann, Bürgermeisterin der Stadt Stuttgart, überreicht. Die Jury fand das Stück "Mental Maps & Patterns" am überzeugendsten nach dem sechstägigen Wettbewerb der freien Tanzszene Baden-Württemberg, wie die Organisatoren am Montag mitteilten. Es sei zwar umstritten, aber auch die "gedanklich kühnste und ästhetisch geschlossenste Arbeit" gewesen, die auf unsentimentale Weise zutiefst betroffen mache. In dem Stück von Mario und Sophie Heinemann Jaillet verarbeitet die Compagnie unter anderem eine Arbeit von Margret Eicher "Über den Gebrauch von Mustern". Mit Denkmustern versuchen Menschen Ordnung in ihre Gedanken zu bringen - die Labyrinthe in unserer Erinnerung sind allerdings nicht an geografische Wegen orientiert, sondern an Erlebnissen in der Biografie des Menschen. Der Hauptpreis und drei weitere Auszeichnungen waren am Sonntagabend im Theaterhaus Stuttgart verliehen worden. Nina Kurzeja aus Stuttgart und ihr Ensemble holten mit "Spielen wie die Kinder" den Sonderpreis für eine herausragende Leistung und 4000 Euro. Der Publikumspreis (3000 Euro) ging an den Tänzer Fabian Chyle aus Stuttgart für "Nowhere Noverre", den Sonderpreis für eine außergewöhnliche tänzerische Leistung erhielt Christine Chu aus Stuttgart für ihr Stück "Vom Glücken des Tages" (2000 Euro). Zum ersten Mal wurden die Preise nicht für eine Sprech-, sondern eine Tanztheater-Produktion vergeben. Der Stuttgarter Theaterpreis, zu dem sieben Produktionen eingeladen waren, ist der einzige dotierte Wettbewerb für freie Tanz- und Theatergruppen aus Baden-Württemberg. Die Veranstaltung solle auch aufmerksam machen auf die "schwierige Situation der freien Tanzgruppen im deutschen Südwesten, die sich mit der freien Theaterszene die bescheidene Fördersumme von 130.000 Euro teilen", teilten die Organisatoren mit.

dpa/sir

Frenetischer Applaus

Schrittmacher-Festival endete vor vollbesetzten RängenFulminanter Schlusspunkt: Mit einer expressiven Choreographie begeisterte die deutsch-schweizerische Kompanie "MS-TANZWERK" zum Abschluss des diesjährigen Schrittmacher-Festivals.Es beginnt und endet mit der Projektion von Bildern auf nackte Haut. Bis allerdings aus den strengen schwarz-weiß Mustern eine farbige Blumenwiese wird, richten die fünf Tänzerinnen einen aufwühlenden Blick nach innen. In neun Sequenzen ergründen sie unter dem Titel "Mental Maps and Patterns" die kognitiven Karten und Muster der Menschen. Es geht um Ideen, Glaube und Einbildungskraft sowie um unterbewusste Bilder, die die Routen der Menschen durchs Leben beeinflussen. Eingeleitet von kurzen projizierten Texten übersetzen die Tänzerinnen die Muster in Bewegungen. Synchron, in schwarz-weiße Uniformen gekleidet und vor einem ähnlich strengen Bühnenbild, entwickeln sie verschlungene, fast akrobatische Figuren und zeigen expressive Choreographien auf hohem Niveau. Nachdenklich und mit viel Symbolik brachte die deutsch-schweizerische Kompanie "ms-tanzwerk" die inneren Pläne und Muster der Menschen auf die Bühne des space im Ludwig-Forum. Akzente setzten das Licht und die Musik, die durch subtile Abstufungen in Kraft und Intensität die Botschaften untermalten.Besonders viel emotionale Ausdruckskraft legten die künstlerischen Leiter von ms-tanzwerk, Mario und Sophie Heinemann Jaillet, in das letzte Kapitel: die Heimat. Immer schneller und halsbrecherischer wirbeln die Körper über die Bühne, bis sie von wilden Zuckungen geschüttelt auf dem Boden enden. Nach diesem ekstatischen Ausbruch kommt endlich Farbe ins Spiel, die Tänzerinnen legen die strengen Uniformen ab und verschmelzen mit dem bunten Hintergrund.Frenetischer ApplausFür ihre hintergründige und ästhetische Aufführung bedachte das Publikum die Kompanie und ihre Leiter mit frenetischem Applaus. Wie alle diesjährigen Schrittmacher-Aufführungen fand auch "Mental Maps and Patterns" vor vollbesetzten Rängen statt.Veranstaltungsleiter Rick Takvorian zog anschließend eine positive Bilanz: "Wir hatten wieder eine tolle Resonanz und viele Besucher, die extra für Schrittmacher nach Aachen kommen. Das Konzept, sehr unterschiedliche Inszenierungen ins Programm zu nehmen und die Veranstaltung wieder zu straffen, um den Festival-Charakter zu betonen, ist aufgegangen."Takvorian, der nunmehr für die Events der gesamten Stadt Aachen zuständig ist, wird auch im nächsten Jahr das zwölfte Schrittmacher-Festival konzipieren. Gleichzeitig möchte er die Erfahrungen aus dieser Arbeit in neue Projekte einfließen lassen. Dazu wird eine Reihe mit dem Arbeitstitel "Voices" gehören, die für den Herbst geplant ist und sich der Stimme und ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen widmet. Wer die Schrittmacher-Aufführungen verpasst hat, kann sich auf einzelne tänzerische "überraschungen" im Laufe des Jahres und die Ausstellung der Bilder von Fotograf Andreas Herrmann freuen.

Sabine Busse
Quelle: Aachener Nachrichten
Photos: Günter Krämmer

18. Stuttgarter Theaterpreis an MS Tanzwerk

Am gestrigen Sonntagabend ging der 18. Stuttgarter Theaterpreis mit der offiziellen Preisverleihung im Theaterhaus Stuttgart zuende. Zum ersten Mal wurden die Auszeichnungen in Höhe von insgesamt € 15.000 für eine Tanztheater-Produktion aus der freien baden-württembergischen Szene vergeben. Gewinner des mit € 6.000 dotierten Hauptpreises ist MS-TANZWERK für Mental Maps & Patterns. Die neue Tanztheater-Orientierung des Theaterpreises erwies sich nicht nur in künstlerischer Hinsicht als Freude. Sie erreichte auch auf Anhieb ein aufgeschlossenes und neugieriges Publikum, das sich – was die Zuschauerzahlen anbelangt – sogar leicht über dem Niveau des Vorjahrs bewegt. Das Ziel, ein Bewusstsein für die besonders schwierige Situation freier Tanzgruppen zu schaffen, wurde ebenfalls erreicht. Der Stuttgarter Theaterpreis bot nicht nur den Nominierten neue Perspektiven. Er gab vor allem der unter prekären Umständen produzierenden freien Tanzszene in Baden-Württemberg Auftrieb und Anerkennung. Der Stuttgarter Theaterpreis verstärkte damit eine Aufbruchstimmung im Südwesten, die seit der Tanzplattform Deutschland 2006 im Stuttgarter Theaterhaus spürbar geworden ist. Dass sich wieder etwas bewegt, unterstrich auch die von Petra von Olschowski (Kunststiftung Baden-Württemberg) moderierte Podiumsdiskussion unter dem Motto “Tanz im Aufbruch – Netzwerke von morgen” mit Walter Heun (JOINT ADVENTURES, München), Hans Traut (Tanztribühne, Karlsruhe), Lior Lev (Tänzer, Stuttgart) und Wolfgang Graf (Internationales TanzFestival, Freiburg). Da weder von staatlicher noch von Sponsoren-Seite eine deutliche Steigerung der Zuschüsse zu erwarten ist, setzen die Macher ihre Hoffnung vor allem auf neue und intelligente Strukturen. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die Gründung des bayerisch-schwäbischen Veranstalter-Netzwerks Local Area Network Tanz Süd im Sommer diesen Jahres.

Quelle: ZDF THEATERKANAL

Abgründige Assoziationen

Für das MS-Tanzwerk-Projekt "Mental Maps & Patterns" bot die Studiobühne im Kulturpalast fast idealen Raum. Der helle Boden, weiße, dank schwarzer Ornament-Embleme Flaggen gleichende Hänger, eine Projektionsfläche im Hintergrund definieren einen offenen Kubus. Das Vorspiel zeigt die Geburt einer Maid und ihre Einkleidung als Fünfte einer Riege - schwarze pludrige Hosen weiße Blusen im Oberhemdschnitt mit aufgenähten schwarzen Krawatten. Ein Initialisierungsritual, für Übungen in Formationen, Denk- und gleichzeitig Gesellschaftstrukturen entsprechend zwischen einst, heute und irgendwann. Während Prägungen des Denkens in verbaler Projektion mutieren von realer Geographie über Erinnerung, Instinkte und Unterbewusstes zu Literatur, Moral, Glauben/Überzeugung, um schießlich am Begriff Heimat anzudocken, bleibt Bewegung notwendig abstrakt. Verhaltene Dynamik, Geschmeidigkeit haben etwas Unwiderstehliches. Aus elementaren Bewegungsformen, vom Boden her aufsteigend, greifen Figuren/Teile ineinander, sich gegenseitig bedingend im Sinn eines physikalisch-biologisch-strukturellen Minimalismus, beziehungs- aber nicht wertfrei, auf beunruhigende Weise faszinierend. Mario Heinemanns Choreographie verführt mit disziplinierter Phantasie. Perfekt darauf abgestimmt sind mystisch-moderne Sounds und großflächige Videoprojektionen. Tief ziehende Wolkenhimmel, pseudobjektiverende, Draufsicht-gedoppelte Tanzfiguren, Ornamente, am Ende eine phantastisch bunt blühende Wiese zeugen abgründige, atmosphärische Assoziationen. Eingeschobene Dog-Dancing-Szenen (frappierende Dressur: Nicole Gärtner) liefern einen eigenen Schlüssel-Kommentar. Die intellektuell klare Analyse natürlicher und sozial bedingter Bindungen wird ironisch gebrochen und vieldeutig, wo sie in Richtung Wahn und Psychose zu kippen droht; das Ensemble gerät in kollektive Ekstase, formiert sich zu Ehrenmalgruppen. Doch die Gebilde sind zu fragil, das Thema zu tief, um zum Grund zu kommen. Letztlich erschließt sich der Sinn darin, dass statt normierenden Vordenkens Nachdenklichkeit provoziert wird. Der Begriff Heimat bleibt stehen, letztlich (auch) für menschliches Suchen zwischen Diktatur und Chaos.

Tomas Petzold
Quelle: DNN
Photos: Günter Krämmer

... Denn solche Art durchdachten, sinnlich-konsequenten Tanztheaters ist kostbar, wie die Beliebigkeit von Tanz allerorten schmerzhaft spürbar macht.

Wer groß herauskommen will, kann verständlicherweise auch scheitern. Weil das allzu lange Schauen in luftige Höhen bekanntermaßen die Gefahr in sich birgt, Unebenheiten am Boden zu übersehen. 800 Minuten Tanz hat es zum Welttanztag sowie zu Ehren der Stadt Dresden anlässlich der 15. Tanzwoche tatsächlich irgendwie gegeben, doch erforderlich wäre auch gewesen, dafür noch 800 Besucher einzuschwören. So aber kleckerte sich das Erscheinen zahlender Gäste in der Kantine der alten Post auf der Königsbrücker Straße nicht zu einer Hochburg des Erfolgs zusammen.Auch das Zeitgefüge mit ständig wechselnden Auftritten verschob sich bald derart, dass der schwarze Peter bei Mascha und ihrer Freundin hängen blieb. Die wackeren Führer(innen) durch Programm und Dresdens Stadtgeschichte mussten zunehmend Dehnübungen einschieben, um Zeitlöcher sinnig zu verplomben. Ihre Art von Zwischenspielhumor ist vielleicht nicht jedermanns Sache, für Langzeitbesucher aber waren die beiden schrägen Pannike-Isermeyer-Ballerinen, die ihre propperen Körper so schön zu einer acht und fast zwei Nullen formen und damit wegtrippeln können, unverzichtbar.Wer in der übervollen Planung der Tanzwoche Defizite beklagte, dem bot sich in der Postkantine Gelegenheit, Verluste immerhin probeweise auszugleichen. Manches weckte zwar gar nicht erst den Appetit auf das komplett verpasste Mahl, anderes aber - verändert, reduziert - war erneut gut anzuschauen, machte neugierig auf mehr. Wie etwa Janet Rühl & Arnd Müller, die mit "Sangre Verde -Grünes Blut" stimmige Metaphern schaffen für ein Leben mit der Natur, oder Megan Bridge, deren Bühnenpräsenz in barock aufgebrochener Gegenwart auch ohne Video Bestand hat.Es ist schon verrückt, wie sich das seit Jahren vor dem Fürstenzug aufgeführt Solo "Trajekt" mit Udo Zickwolf vor der Glasfassade des Postgebäudes mit Ausblick auf die Neustadtkulisse dem Ort geradezu anverwandelt. Und Constanze Lüttich findet in "Eiszeit" an der Glasfront kein Durchkommen zu grünender Üppigkeit wie auch die schwarzen Vogelsilhouetten assoziieren, dass diese Wand undurchdringlich ist. Als zu später Stunde mit Ausschnitten aus dem Stück "Mental Maps & Patterns" von Sophie und Mario Heinemann Jaillet die beeindruckenden Tänzerinnen von ms-tanzwerk endlich wieder für Spannung sorgten, war auch zu ahnen, wie schwer es ist, 800 Minuten Tanz kurzweilig zu mischen. Wie es überhaupt kompliziert ist, mit kleiner Mannschaft und bescheidenem Budget ein Tanzfestival auf die Beine zu stellen, das rundum funktioniert. Also bestens organisiert, gut beworben, genau platziert ist. Nicht allein die Fülle bringt es, viel mehr Qualität, Eigenart, Gewichtung, intelligente Planung. Das Stück "Mental Maps" beispielsweise hätte als wunderbar irritierende Herausforderung eines jeden Festivals verdient, im Kleinen Haus aufgeführt zu werden. Denn solche Art durchdachten, sinnlich-konsequenten Tanztheaters ist kostbar, wie die Beliebigkeit von Tanz allerorten schmerzhaft spürbar macht. Alles kann man, bezogen auch auf Besucherzahlen und Qualitäten, gewiss nicht vorausahnen. Ebenso wenig, dass das Studiotheater im Kulturpalast als Gastspielort nicht zu empfehlen ist. Dort müssten Sicherheitsvoraussetzungen geschaffen werden, dass während der Vorstellung Ensembles im Bühnen- und Garderobenbereich nicht bestohlen werden. Fraglich bleibt zudem, wie die Eintrittspreise zu handhaben sind. Nicht alles, was gerechtfertig ist, macht auch Sinn. Und nur wenige von denen, die sich für die Tanzszene interessieren, haben so viel Geld, dass sie sich Besuche mehrfach leisten können.

Gabriele Gorgas
Quelle: DNN
Photos: Günter Krämmer

Ovationen / Das "Schrittmacher-Festival" feierte mit der faszinierenden Kompanie "ms Tanzwerk" seinen krönenden Abschluss

Bejubelter Abschluss des "Schrittmacher"-Festivals: Die Protagonistinnen von "MS-TANZWERK" sorgten für ein furioses Finale.Aachen. Programmdirektor Rick Takvorian, Veranstaltungsmanager des Ludwig-Forums und der Stadt, hat es wieder einmal geschafft. Er präsentierte sechs Kompanien beim faszinierenden Schrittmacher-Festival - und einem krönenden Abschluss mit der bereits 2003 in Aachen begeisternden Kompanie "ms Tanzwerk". Das 11. Festival fand erstmals in komprimierterer Form statt, dafür stimmte aber die Qualität auf der ganzen Linie. Ob träumerisch, ob provokant, laut oder nachdenklich - für jeden Tanzfan gab es den richtigen Beitrag. Die minutenlangen begeisterten Ovationen im wie immer ausverkauften "space" des Forums unterstrichen: Mit der deutsch-schweizerischen Gruppe "ms Tanzwerk" hatte Takvorian auch diesmal wieder das richtige Händchen bewiesen."Mental Maps & Patterns" dreht sich dabei um kognitive (Land-)Karten, mit denen der Mensch versucht, Ordnung im Denken und Handeln zu erlangen. Weniger geografisch, eher biografisch setzten die fünf Tänzerinnen dabei ein Netz aus Erinnerungen und Emotionen in faszinierende Bewegungsmuster um. Unter der künstlerischen Leitung von Mario und Sophie Heinemann Jaillet offenbarte sich in der 80-minütigen Choreografie eine Struktur aus neun "Pattern" (Mustern), die die Annährung an eine Vorstellung des Begriffs "Heimat" wagten. Die Szenerie war zunächst bedrückend und okkult angehaucht. Ein nackter Körper wird (schul-)uniformiert, lange weiße Stoffbahnen bilden einen Rahmen um die Bühne. Darauf erkennbar ist eine Mischung aus Wappen und Stigma: der Grundriss eines Gefängnisbaus. Und immer wieder gibt es ein beeindruckendes Spiel mit Lichteffekten, Videoprojektionen und Musiksequenzen. Der immer wieder überraschende Wechsel zwischen humoristischen Parts - hier vor allem die immer wiederkehrenden kleinen Exkurse im so genannten "Dog Dancing" von Nicole Gärtner und ihrem Hund "Fly" - lockerte beim Betrachter mit so manchem Schmunzeln die anfänglich so düstere Szene auf. Wege, Grenzlinien und Brennpunkte werden in dem stark expressiven und emotionalen Tanz visuell. Vom beginnenden melancholischen Grundton geht das Spiel um eine ruhende Mitte letztlich in ein buntes Blumenmeer über, mit dem die Protagonistinnen nicht nur mit ihren Kleidern ihre Zwänge ablegen, sondern auch das "Einswerden" mit ihrer Vorstellung von "Heimat" erreichen. Eine absolut überzeugende Darbietung mit hoher Präzision, die wieder einmal Lust auf mehr machte. Und da lässt Takvorian keinen Zweifel: Auch 2007 wird es natürlich mit Schrittmacher" weitergehen...

Anja Wassong

Quelle: Aachener Zeitung
Photos: Günter Krämmer

Der Fotograf Günter Krämmer und MS-TANZWERK

Günter Krämmer arbeitete bereits mit zahreichen renommierten Choreografen und Tanzkompanien zusammen (u.a. William Forsythe, Hans van Manen, Dylan Newcomb, Amanda Miller, Mark Tompkins, Joachim Schlömer, Rubato, Sasha Waltz, Regina Baumgart, Tom Plischke, Unterwegstheater, Company MS-Tanzwerk ...) und dokumentierte deren Arbeiten mit seinem aussergewöhnlich sensiblen Blick. Seine Fotografien gehen weit über die pure Ästhetik verbreiteter Tanzfotografie hinaus, da Krämmer sich intensiv mit den künstlerischen Schaffensprozessen der Choreographen und Tänzern auseinandersetzt und somit die Einzigartigkeit der Arbeiten in seinen Fotos ins Zentrum stellt, ohne jedoch die beobachtende Distanz als Fotograf zu verlieren.Krämmer begleitet u.a die Arbeiten der Tanztheater Compagnie MS-TANZWERK seit nunmehr sechs Jahren und dokumentiert mit wunderschönen Fotografien seinen ganz eigenen Blick auf den Tanz.
Einzelausstellung
ART-ORT/CONTAINER ''WATCH!'' - Heidelberg 2006
AM BERG - Heidelberg 2003
NEW YORK - Heidelberg 2003
HEIDELBERG SCHWARZWEISS - Heidelberg 2003
SHIMA/17/DANCER/DIALOGUE - Heidelberg 2002
SCHLOSSBESITZER - Heidelberg 2001
GÜNTER KRÄMMER - FOTOGRAFIA - Bytom u. Warschau 2001
TÄNZERBILDER - Heidelberg 2000
TANZ & UNTERWEGS - Heidelberg 1999 u. 2000
PORTRÄTS EN PASSANT - Heidelberg 1999
UNTERWEGS & NEW YORK - Heidelberg 1999
Ausstellungen zur Reihe Raum XIII des Heidelberger Stadttheaters - Heidelberg 1998 - 2001
Austellungen zum Internationalen Treffen junger Tänzer - Sandhausen 1998 - 2004
ROCCO & INI IM KINO - Heidelberg 1998
TANZ FOTOGRAFIEREN - Heidelberg 1998A
usstellung zur Produktion Schritt IV des UnterwegsTheaters - Heidelberg 1997
PORTUGAL - Heidelberg 1997
JOSÉ LUIS SULTÁN - Heidelberg 1997
FACES OF DANCE - Heidelberg 1997
UNSERE KÖRPER SIND UNSERE INSTRUMENTE - Heidelberg, Worms, Dublin 1997
FACING DANCE - Sandhausen 1996
MUSIKER/INNEN - Wiesloch 1996
ENTLARVUNG -Bilder aus Basel - Heidelberg 1995
Fasnachtsmasken aus Luzern - Paris 1995
JEMEN : JEDER GAST KANN BEI UNS ZUFLUCHT NEHMEN - Heidelberg 1994
MISSING SCULPTURES - Heidelberg 1993
NEW AGE MAN - Luzern u. Karlsruhe 1993
RENCONTRES - Montpellier 1993
LA BELLE ET LA BÊTE - Bilder aus Luzern - Heidelberg 1992 u. 1993
HEIDELBERG - Cambridge 1990
IN HEIDELBERG - Heidelberg 1989 u. 1990

Tanztheater: Belohnte Gradwanderung

Theaterpreis für MS-TANZWERK mit "Mental Maps & Patterns" Qualität setzt sich im Zeitgenössischen Tanz immer wieder durch. Hofft man zumindest, und ist dankbar, wenn aussergewöhnliche Choreografien nicht schon frühzeitig durch Ignoranz oder fehlende Risikoentscheidungen aus dem Rennen geworfen werden, sie die Chance erhalten, sich auch im überregionalen, internationalen Vergleich zu behaupten. Vor einigen Jahren hatten die Organisatoren in Leipzig gezögert, die ausgezeichnete Arbeit "Blind Date" von Sophie Jaillet und Mario Heinemann ins Programm der Tanzplattform 2002 aufzunehmen, und das sollten sie nach wie vor bereuen. Dieses Stück war bereits zuvor in Dresden erfolgreich gewesen, und es erhielt in den USA den Excellence Award for Choreography of New York Fringe Festival.Nun hat die deutsch-schweizerische Compagnie MS-TANZWERK- mit "Mental Maps & Patterns" beim 18. Stuttgarter Theaterpreis den mit 6000 Euro dotierten Hauptpreis für die beste Produktion erhalten. Mit einer bemerkenswerten Begründung in der Laudatio: "Unserer Einschätzung nach ist es die gedanklich kühnste und ästhetisch geschlossenste Arbeit der zurückliegenden Abende. Es nimmt in vielerlei Hinsicht die höchsten Risiken in Kauf und macht auf eine ganz unsentimentale Weise zutiefst betroffen."Das klingt doch gut, auch in Anbetracht der Tatsache, dass die Tanzplattform im Februar 2006 in Stuttgart - erklärtermassen mit dem Anspruch, Deutschlands vielseitige Tanzszene überraschend zu präsentieren - insgesamt wenig Spannendes geboten hatte. Und neun Monate später der Stuttgarter Theaterpreis als bewusst risikofreudige Entscheidung an "Mental Maps" und Mario Heinemann Jaillet und Sophie Jaillet geht: " Es ist eine konsequente, gedanklich komplexe Gratwanderung mit hohem Absturzpotential. Ein Zitat von C. G. Jung erklärt vielleicht das Beunruhigende dieses Stückes: "Das Bewusstsein benimmt sich wie ein Mensch, der ein verdächtiges Geräusch im Keller gehört hat und zum Dachboden eilt, um dort festzustellen, daß keine Diebe da sind. In Wirklichkeit hat sich dieser vorsichtige Mensch aber nicht in den Keller getraut." MS-TANZWERK hat sich in den Keller getraut."Wir wissen, wovon die Rede ist, haben das irritierend aufregende Stück bei der Tanzwoche erlebt. Und man könnte es nach zwei mässig besuchten Aufführungen im Studiotheater vom Kulturpalast gut und gerne ein weiteres Mal dem Publikum vorstellen, zumal die Denkprozesse mit einer ersten Wahrnehmung längst nicht abgeschlossen sind. Dass die Wurzeln speziell von Mario Heinemann Jaillet, aber auch von den Mitgliedern der Compagnie wie Ariane Funabashi, Berit Jentzsch und Nina Patricia Hänel nach Dresden führen, ahnt inzwischen wohl jeder, und es ist erwartungsgemäss die Palucca Schule, wo sie zu unterschiedlichen Zeiten als Tänzer ausgebildet wurden; Mario Heinemann absolvierte zudem die Choreografenausbildung an der "Ernst Busch"-Theaterhochschule Berlin. Er ist, sagte der langjährige frühere Rektor der Dresdner Tanzhochschule Enno Markwart über ihn, "ein feinnerviger Choreograph mit großem dynamischen Spektrum. Seine Arbeiten sind sozial determiniert und Kunst bindet sich für ihn an gesellschaftliche Verantwortlichkeit." Das hat sich auch nicht geändert, und derart sinnlich-intelligente Tanzproduktionen bleiben weiterhin rar in der heutigen Tanzszene.

Gabriele Gorgas
Quelle: DNN
Photos: Günter Krämmer

Neue Tanztheater Creation "Mental Maps & Patterns"

Mental Maps heißen die kognitiven Karten, mit denen wir versuchen, Ordnung in die Labyrinthe unseres Denkens zu bringen. Analog zur räumlichen Orientierung gibt es auch hier Wege, Grenzen, Orte, allerdings sind die maps nicht geographisch angelegt, sondern bio-grafisch: als Netz aus Erinnerungen, Bildern und Sinneswahrnehmungen strukturieren sie die individuelle mentale Orientierung. Mit „Mental Maps & Patterns“- unter der künstlerischen Leitung von Mario und Sophie Heinemann Jaillet - verfolgt die Companie die labyrinthischen Topographien dieser emotionalen und räumlichen Denkmuster. Diesmal ließ sich Heinemann und Jaillet u.a. auch von Margret Eichers Arbeit „Über den Gebrauch von Muster“ inspirieren und spinnen einen kühnen Zusammenhang zwischen den Orten, wo unser Denken zuhause ist und dem schillernden Begriff der „Heimat“. In tänzerischer Präzision, mit Ironie und Momenten der Überraschung stellt sich ms-tanzwerk dem Tiefsinnigen und manchmal auch Abgründigen, welches bei dieser Transformation der Denk-Heimat zur tatsächlichen Heimat zum Vorschein kommt und uns durchaus ambivalent berührt.

Dr.Clara Schlichtenberger

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Photos: Günter Krämmer

Quelle subtilité ! Le spectateur est touché à des niveaux de pensées et d’émotions rarement sollicités, ou peut-être volontairement enfouis !

Le 9 décembre dernier j’ai eu le privilège d’assister au concours du « Stuttgart Theaterpreis 2006 ». L’impact ressenti lors de la présentation de MS-Tanzwerk, « MENTAL MAPS & PATTERNS » me motive fortement à vous faire part de cet événement hors du commun. Impact partagé par le publique et le jury puisque le premier prix leur a été attribué. Sous la direction artistique de Mario et Sophie Heinemann-Jaillet, la compagnie entre en relation étroite avec une orientation précise. Les images représentant la démarche du chorégraphe viennent d’une réflexion profonde nous menant vers « nôtre » centre tel le parcours et l’élaboration d’un Mandala. Quelle subtilité ! Le spectateur est touché à des niveaux de pensées et d’émotions rarement sollicités, ou peut-être volontairement enfouis ! Est-ce pour autant un spectacle destiné à une élite ?? Je ne le pense pas, car par sa précision chorégraphique, le formidable talent d’adaptation des danseuses et l’aventure patiale dans laquelle on se sent aspiré, un large publique peut si retrouver. J’ai tenu à vous faire part de mes impressions pour que cet événement de haut niveau ne tombe pas dans l’oubli comme tant d’autres parmi le foisonnement de talents que nous côtoyons en cette période souvent dérangeante de la culture actuelle.
Merci d’avance pour l’intérêt que vous porterez à cette compagnie.
Meilleures salutations

Daisy Mottier-Beltrami
Genève

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Photos: Günter Krämmer

Preisgekröntes Tanztheater der Cie. MS-TANZWERK

Die bereits in den USA preisgekrönte Compagnie MS-Tanzwerk unter Leitung des Choreografen Mario Heinemann Jaillet ist mit der aktuellen Produktion ''Mental Maps & Patterns'' für den Stuttgarter Theaterpreis 2006 nominiert worden und gewann mit diesem, von der Presse und Publikum gleichermaßen gefeierten wie umstrittenen Stück den Stuttgarter Theaterpreis.

Die Besonderheit der cie ms-tanzwerk liegt in der Zusammenarbeit der beiden, sich ergänzenden Künstlern und trägt seine Früchte in kühnen und kompromisslosen Produktionen von unglaublicher Präzision, sinnlicher Bewegungssprache und außergewöhnlichen Choreografien. "Blind Date" zum Beispiel wurde mit dem Excellence Award for Choreography of New York Fringe Festival ausgezeichnet.


Quelle: dance-germany.org

Das Tanztheater der Cie MS-TANZWERK "Mental Maps & Patterns" - Reviews

"Mit der deutsch-schweizerischen Truppe ms-tanzwerk hatte der Veranstalter auch diesmal wieder das richtige Händchen bewiesen."
"Eine absolut überzeugende Darbietung mit hoher Präzision, die wieder einmal Lust auf mehr machte."
"Ein beeindruckendes Spiel mit expressivem und emotionalen Tanz, Lichteffekten, Videoprojektionen und Musiksequenzen."
"Heinemann findet immer wieder beeindruckende Bilder."
"Fulminanter Schlusspunkt: Mit einer expressiven Choreographie begeisterte die deutsch-schweizerische Kompanie ms-tanzwerk zum Abschluss des diesjährigen Schrittmacher-Festivals."
"Das Stück "Mental Maps & Patterns" ...wunderbar irritierende Herausforderung eines jeden Festivals."
"...die beeindruckenden Tänzerinnen von ms-Tanzwerk sorgten endlich wieder für Spannung..."
"Verhaltene Dynamik, Geschmeidigkeit haben etwas Unwiderstehliches."
"...auf beunruhigende Weise faszinierend. Mario Heinemanns Choreographie verführt mit disziplinierter Phantasie."
"Perfekt darauf abgestimmt sind mystisch-moderne Sounds und großflächige Videoprojektionen."
"Denn solche Art durchdachten, sinnlich-konsequenten Tanztheaters ist kostbar, wie die Beliebigkeit von Tanz allerorten schmerzhaft spürbar macht."
"Faszinierende Körperlichkeit und intelligente Inszenierung. Denn zeitgenössischer Tanz ist nicht nur gestaltete Emotion, sondern auch glasklare Verstandesarbeit."
"Krönender Abschluss mit der faszinierenden Kompanie ms-tanzwerk."
"Frenetischer Applaus - Für ihre hintergründige und ästhetische Aufführung bedachte das Publikum die Kompanie und ihre Leiter mit frenetischem Applaus."
"Bejubelter Abschluss des diesjährigen Schrittmacher-Festivals: die Protagonistinnen von ms-tanzwerk sorgten für ein furioses Finale."

Quelle: Mannheimer Morgen | Dresdner Neueste Nachrichten | Aachener Zeitung | Aachener Nachrichten

Photos: Günter Krämmer

Laudatio für MS-TANZWERK / Theaterpreis 2006

Stuttgarter Theaterpreis für die beste Produktion in Höhe von € 6.000 – gestiftet von der Landeshauptstadt Stuttgart, überreicht von Dr. Susanne Eisenmann für MS-TANZWERK Mental Maps & Patterns

guten abend !
wenn wir nun zur verleihung des hauptpreises kommen, seien sie versichert, daß es sich die jury nicht leicht gemacht hat. das stück, das die jury hier zur preisvergabe empfiehlt, hat sich als das umstrittenste, widerständigste des Festivals erwiesen. unserer einschätzung nach ist dieses stück die gedanklich kühnste und ästhetisch geschlossenste arbeit der zurückliegenden abende. es nimmt in vielerlei hinsicht die höchsten risiken in kauf und macht auf eine ganz unsentimentale weise zutiefst betroffen. es ist eine konsequente, gedanklich komplexe gradwanderung, mit hohem absturzpotential. die innere logik des stückes ist folgerichtig, wenn gleich nicht unbedingt sympathisch. ein komplexes, intellektuelles vorhaben ist in eine sinnliche form überführt und dadurch erfahrbar geworden. dadurch erweist sich die arbeit nicht als illustration, sondern als konstruktion einer wahrnehmungsituation, die an erinnerung, gespeicherte codes etc. appelliert. tanz, video, musik, text, licht, bühne und kostüme bilden eine subtile, suggestive einheit und schaffen den äußeren rahmen für innere vorgänge. es geht um örtlichkeiten inneren lebens, und wie es sogleich der kolonisation durch öffentliche zeichen und bilder unterliegt. vom ersten moment an hat das stück eine unheilvolle atmosphäre, die wir allerdings für kein politisches bekenntnis halten, sondern aus der künstlerischen versuchsanordnung erwachsen sehen, die darin besteht, an sich und in sich einen mapping-prozess zu erleben, der keine unbeteiligten beobachter erlaubt: man verläßt die vorstellung als contaminierter. so hermetisch der abend daherkommt, transportiert er doch erzeugung und entstehen als einen offenen vorgang. thema des stücks ist ein prozess beim zuschauer ... exemplifiziert um den begriff 'heimat'. die künstlerische vorgehensweise gleicht einem laborversuch, bei dem der zuschauer weniger der raisonierende laborleiter als den probanten und das versuchstier gibt: das verfahren ist das einer langsamen immersion, einer graduell sich steigernden 'zumutung'. diese zumutung stützt sich auf einen kollektiven bilderfundus wie er in den zurichtungskampagnen totalitärer strategien benutzt wurde und weiterhin benutzt wird. gearbeitet wird mit einer montage von versatzstücken ästhetischer und sprachlicher art, die zunehmend - und zunehmend unangenehmer - das hirn möblieren, die bestimmte grenzziehungen, wege, bahnungen triggern und zunehmend an eigenleben gewinnen. die stimulierung führt auf immer unakzeptablere wege, in immer unakzeptablere landschaften, aber sie tut das absolut folgerichtig. über schwindelerregende deutsche abgründe hinweg werden wir mit posen, bildern, geräuschen, klängen und worten gefüttert und geführt, werden verführt und manipuliert. die tänzer schrauben sich nahezu tranceartig durch ritualisierte und historisierende bewegungsmuster und die musik unterstützt diesen ansatz.die eigene urteilsfähigkeit - je nach persönlichem naturell irritiert oder befeuert von ironischen elementen der inszenierung - gerät zunehmend ins trudeln, denn das stück ist von 2 gegenläufigen bewegungen geprägt:affirmation und subversion:ob sie das video am schluss des stückes als kitsch - kitsch ist die übererfüllung von erwartungshaltungen - oder als ironischen kommentar mit nackten sehen wollen, das stück wird sie nicht aus der zange seiner suggestiven muster entlassen.das durchaus perfide des konzepts illustriert ein zitat des ästhetikers und philosophen wolfgang welsch, wenn er sinngemäß sagt: die eigentliche wahrnehmung ist niemals falsch - erst im nachhinein erweisen sich urteile darüber als wahr oder falsch.ich würde gerne schließen mit einem zitat von c.g.jung, das gaston bachelard in seiner 'poetik des raumes' anführt und das das beunruhigende des von uns als preiswürdig erachteten stückes vielleicht erklärt.zitat: " das bewusstsein benimmt sich wie ein mensch, der ein verdächtiges geräusch im keller gehört hat und zum dachboden eilt, um dort festzustellen, daß keine diebe da sind. in wirklichkeit hat sich dieser vorsichtige mensch aber nicht in den keller getraut." ms-tanzwerk hat sich in den keller getraut und verdient schon dafür anerkennung. es hat uns aber auch etwas aus dem keller mit hochgebracht - und das erfordert geschick und können. die jury empfiehlt deshalb die produktion 'mental maps + patterns' als preisträger des stuttgarter theaterpreises 2006.
Quelle: tanznetz.de
Photos: Günter Krämmer