Wer groß herauskommen will, kann verständlicherweise auch scheitern. Weil das allzu lange Schauen in luftige Höhen bekanntermaßen die Gefahr in sich birgt, Unebenheiten am Boden zu übersehen. 800 Minuten Tanz hat es zum Welttanztag sowie zu Ehren der Stadt Dresden anlässlich der 15. Tanzwoche tatsächlich irgendwie gegeben, doch erforderlich wäre auch gewesen, dafür noch 800 Besucher einzuschwören. So aber kleckerte sich das Erscheinen zahlender Gäste in der Kantine der alten Post auf der Königsbrücker Straße nicht zu einer Hochburg des Erfolgs zusammen.Auch das Zeitgefüge mit ständig wechselnden Auftritten verschob sich bald derart, dass der schwarze Peter bei Mascha und ihrer Freundin hängen blieb. Die wackeren Führer(innen) durch Programm und Dresdens Stadtgeschichte mussten zunehmend Dehnübungen einschieben, um Zeitlöcher sinnig zu verplomben. Ihre Art von Zwischenspielhumor ist vielleicht nicht jedermanns Sache, für Langzeitbesucher aber waren die beiden schrägen Pannike-Isermeyer-Ballerinen, die ihre propperen Körper so schön zu einer acht und fast zwei Nullen formen und damit wegtrippeln können, unverzichtbar.Wer in der übervollen Planung der Tanzwoche Defizite beklagte, dem bot sich in der Postkantine Gelegenheit, Verluste immerhin probeweise auszugleichen. Manches weckte zwar gar nicht erst den Appetit auf das komplett verpasste Mahl, anderes aber - verändert, reduziert - war erneut gut anzuschauen, machte neugierig auf mehr. Wie etwa Janet Rühl & Arnd Müller, die mit "Sangre Verde -Grünes Blut" stimmige Metaphern schaffen für ein Leben mit der Natur, oder Megan Bridge, deren Bühnenpräsenz in barock aufgebrochener Gegenwart auch ohne Video Bestand hat.Es ist schon verrückt, wie sich das seit Jahren vor dem Fürstenzug aufgeführt Solo "Trajekt" mit Udo Zickwolf vor der Glasfassade des Postgebäudes mit Ausblick auf die Neustadtkulisse dem Ort geradezu anverwandelt. Und Constanze Lüttich findet in "Eiszeit" an der Glasfront kein Durchkommen zu grünender Üppigkeit wie auch die schwarzen Vogelsilhouetten assoziieren, dass diese Wand undurchdringlich ist. Als zu später Stunde mit Ausschnitten aus dem Stück "Mental Maps & Patterns" von Sophie und Mario Heinemann Jaillet die beeindruckenden Tänzerinnen von ms-tanzwerk endlich wieder für Spannung sorgten, war auch zu ahnen, wie schwer es ist, 800 Minuten Tanz kurzweilig zu mischen. Wie es überhaupt kompliziert ist, mit kleiner Mannschaft und bescheidenem Budget ein Tanzfestival auf die Beine zu stellen, das rundum funktioniert. Also bestens organisiert, gut beworben, genau platziert ist. Nicht allein die Fülle bringt es, viel mehr Qualität, Eigenart, Gewichtung, intelligente Planung. Das Stück "Mental Maps" beispielsweise hätte als wunderbar irritierende Herausforderung eines jeden Festivals verdient, im Kleinen Haus aufgeführt zu werden. Denn solche Art durchdachten, sinnlich-konsequenten Tanztheaters ist kostbar, wie die Beliebigkeit von Tanz allerorten schmerzhaft spürbar macht. Alles kann man, bezogen auch auf Besucherzahlen und Qualitäten, gewiss nicht vorausahnen. Ebenso wenig, dass das Studiotheater im Kulturpalast als Gastspielort nicht zu empfehlen ist. Dort müssten Sicherheitsvoraussetzungen geschaffen werden, dass während der Vorstellung Ensembles im Bühnen- und Garderobenbereich nicht bestohlen werden. Fraglich bleibt zudem, wie die Eintrittspreise zu handhaben sind. Nicht alles, was gerechtfertig ist, macht auch Sinn. Und nur wenige von denen, die sich für die Tanzszene interessieren, haben so viel Geld, dass sie sich Besuche mehrfach leisten können. |
... Denn solche Art durchdachten, sinnlich-konsequenten Tanztheaters ist kostbar, wie die Beliebigkeit von Tanz allerorten schmerzhaft spürbar macht.
Eingestellt von Frank Hoefer um 05:01
Labels: Art, dance, Feuilleton, Kultur, Kunst, MS Tanzwerk, Tanztheater, Theater
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